Welche Veredlungen sind dauerhaft stabil?
Zu Beginn meiner Veredlungskarriere habe ich einfach drauf los veredelt und auch jetzt noch setzte ich praktisch alle Veredlungsmethoden ein, die ich kenne. Manche allerdings mehr und andere weniger als zu Beginn.
Mit den Jahren habe ich immer wieder einmal Fälle, in denen eigentlich ursprünglich mehr oder weniger „gelungene“ Veredlungen nach einigen Jahren scheinbar plötzlich versagten. Bei nicht allen war es so dramatisch wie bei der Spaltpfropfung von Mispel auf Weißdorn im Bild links, die nach vier Jahren beim ersten Ertrag bei einem Sommergewitter einfach direkt an der Veredlung abbrach. Die Veredlung war kaum verwachsen, nur die im Detailbild unten rechts eingekreisten Bereiche wiesen eine Verbindung zwischen Edelreis und Unterlage auf. Da war klar, warum die Veredlung nicht hatte halten können, und es war eher das Wunder, wie sie so lange überlebt hatte. Andererseits stellte sich nun die Frage, warum diese Veredlung so schlecht verwachsen war. Das war der Start in die Ursachenforschung dazu, die schnell deutlich breiter aufgestellt werden musste, um zufriedenstellende Antworten zu finden. Entsprechend habe ich angefangen, alle Veredlungen, die abstarben oder die ich aus welchen Gründen auch immer entfernen musste, zu untersuchen.
Ursachenforschung und Beschreibung
Der Unterlagenweißdorn war zur Zeit der Veredlung fast genauso dick wie beim Abbrechen, hatte als etwa 3-4 cm Dicke, weshalb ich in den zentral in den Weißdorn gemachten Spalt beim Spaltpfropfen an beiden Seiten ein Edelreis einsetzte. Ein „Doppelspaltpfropfen“, wie ich es gerne nenne. Allerdings wuchs nur eines der beiden Reiser, das auf der im oberen Bild abgewandten Seite, an. Daraus entwickelte sich dann zwar ein ganz schönes Mispelbäumchen, aber durch die recht rabiate Veredlungsmethode das Spaltpfropfens in die relativ Dicke Unterlage konnte die Veredlung nur entlang des Spalts auf der Außenseite der Unterlage verwachsen. An allen anderen Stellen bildete die veredelte Mispel zwar Kallusgewebe und versuchte die Lücken zu stopfen und einen Kontakt herzustellen, aber auch nach vier Jahren war sie noch nicht am Kambium an der anderen Seite angekommen. Zusätzlich war das natürlich auf der anderen Seite längst etwas zurückgetrocknet und damit noch schwerer zu erreichen, wie im ersten Bild am „nackten“ Holz um den Spalt herum zu sehen ist. Das Kallusgewebe am Edelreis bildete zusätzlich, da es frei lag, auch noch eigene Rinde aus, was ein späteres Verwachsen noch einmal sehr viel erschwert hätte.
Ich habe daraus die Konsequenzen gezogen und verwende Spaltpfropfen nur noch wenn die Unterlage ebenfalls recht wüchsig und dünn ist und der Dickenunterschied zwischen Unterlage und Edelreis nicht zu groß ist. Meine Grenze ist etwa maximal 0,5cm Unterschied. Alternativ mache ich den Spalt in der Unterlage sehr dezentral, so dass der Spalt die Breite des Edelreises hat und nicht mehr einfach zentral durch die Unterlage, siehe die Zeichnungen zum Spaltpfrofen in der genauen Beschreibung. Dann haben Edelreis und Unterlage eine Chance, auf beiden Seiten des Spalts zu verwachsen. Generell versuche ich Spaltpfropfen auf dickere Unterlagen generell zu vermeiden, siehe auch der Vergleich im Bild unten zwischen Kirschenveredlungen durch Kopulation (mit Gegenzungen) und Spaltpfropfen:
Bei der Spaltpfropung ist auch wieder deutlich zu sehen, wie der dem Edelreis gegenüberliegende Bereich des Kambiums abstarb und nur wenig gesundes Holz Unterlage und Edelreis verbindet, während bei der Kopulation äußerlich die Veredlung fast nicht zu erkennen ist und im aufgesägten Holz nur die leicht geschwärzten Oberflächen der Gegenzungen zu sehen sind.
Unterlagen- bzw. Pfropfstellendurchmesser
Meine Untersuchungen zu den Ursachen von langfristig scheiternden Veredlungen zeigten auch deutlich, dass der Durchmesser der Veredlungsstelle bzw. die Dauer, bis die Wunde überwachsen ist, auch eine große Rolle spielt. Je länger die Wunde offen ist, desto länger können Pilze und andere Schadorganismen eindringen und das Holz der Unterlage besiedeln. Langfristig kann auch das die Stabilität der Veredlung beeinträchtigen, einfach nur durch fehlende Stabilität. Im Bild links sind Rindenpfropfungen zu sehen, die, als ich sie abgesägt habe, fast gleich dick waren. Äußerlich sehen beide fast identisch aus, aber als ich sie aufgesägt habe, hatte ich eine Überraschung:
Bei der Rindenpfropfung auf einen dünne, initial nur 2 cm dicke Veredlungsstelle an meinem Mehrsortenapfelbaum war die Wunde nach nur zwei Jahren komplett überwachsen und das Holz der Unterlage unterhalb der Veredelung zwar ein paar cm verfärbt, aber immer noch hart und stabil. Bei der Rindenpfropfung auf die initial etwa 5 cm dicke Veredlungsstelle war selbst mehr als 20 cm unterhalb der Veredlungsstelle alles alte Holz morsch und weich, wie auf dem Bild oben zu sehen, obwohl ich drei Edelreiser gepfropft hatte. Auch war die Stirnfläche nach 7 Jahren immer noch nicht ganz verwachsen, wodurch der Pilz noch Luft bekommen konnte und sich die Fäule immer noch weiter stammwärts ausgebreitet hätte. Was etwas tröstend ist, ist dass die Fäule in beiden Fällen auf das „alte“ Holz, welches vor der Veredlung gewachsen war, beschränkt geblieben ist. In dem Fall der Veredlung auf den dicken Apfelunterlagenast hätte ich trotz der Fäule vermutet, dass der Ast wohl mit der Veredlung stabil geblieben wäre, vor allem wenn das Dickenwachstum der Veredlung und damit die Holzbildung und das Verwachsen der Veredlungsstelle besser gefördert worden wäre.
Was sind nun die stabilsten Veredlungsmethoden?
Im Prinzip gilt: Alle Veredlungsmethoden können langfristig stabil sein, es ist meiner Erfahrung nach hauptsächlich wichtig, dass alle offenen Wunden möglichst schnell verwachsen. Also sollte „möglichst wenig Holz zu sehen“ sein und das Wachstum der neuen Veredlung nach Kräften gefördert werden.
Trotzdem bevorzuge ich, wenn irgendwie möglich, Kopulation (mit Gegenzungen), Anplatten, Chipveredlungen, Rinden-, Spalt– und weit abgeschlagen Geissfußpfropfen. Okulationen sind wie Chipveredlungen etwas außen vor, da sie keine Reiserveredlungen sind und bei ihnen die eigentliche Veredlung praktisch keine Wunden hinterlässt und erst der Rückschnitt der Unterlage eine, wenn auch im Allgemeinen recht kleine, offene Wunde verursacht.
Geissfußpfropfen hat meiner Meinung nach zusätzlich zum Spaltpfropfen noch den Nachteil, dass die Schnitte aufwendiger sind und besser passen müssen als beim flexiblen Spaltpfropfen. Auf in Verhältniss zum Edelreis nur unwesentlich dickeren Unterlagen klappen beide Veredlungsmethoden auch ganz gut und halten dort auch die Wunden klein, aber Anplatten ist schneller und einfacher. Zum Abschluss deswegen noch einmal ein Bild einer Veredlung von Quitte auf Quitte durch Anplatten mit Gegenzungen. Die kleine Kopfwunde ist im Jahr der Veredlung überwachsen worden und es gibt keinen Holzbefall. Die einzigen Verfärbungen sind die geschwärzten Oberflächen der Schnitte und über der Veredlung ein Rückschnitt von einem überschüssigen Austrieb der Veredlung.