Veredeln durch Okulation
Okuliert werden kann von etwa Juli bis August, da zu dieser Zeit die Rinde der Unterlagen gut löst und auch die Edelreiser ausgereift sind. Für eine Okulation wird nur eine Knospe (=Auge) benötigt, daher ist die Okulation deutlich effizienter in der Nutzung von Edelreisern als Reiserveredlungen. Okulation ist deshalb die meist verwendete Veredlungsmethode in Baumschulen. Ein Unterschied zu Veredlungen im Frühjahr ist, dass das Auge im Jahr der Okulation zwar anwächst, aber erst im Folgejahr austreibt, siehe folgendes Frühjahr in der Zeichnung.
Zudem werden für Okulationen die Edelreiser meist direkt vor der Veredlung geerntet, so dass eine aufwändige Lagerung entfällt. Die Reife des Edelreises erkennt man daran, dass die Spitze des Reises, wenn sie geknickt wird, abbricht statt faserig gequetscht zu werden. Vom Edelreis wird eine Knospe auf einem kleinen, ca. 3 cm langen, Rinden- und Holzstück geschnitten 1. Zum Schneiden des Edelauges aus dem Reis wird es von Rechtshändern zunächst mit der Spitze zum Körper zeigend in die linke Hand genommen. Mit dem Okuliermesser wird danach ungefähr 1-2 cm unterhalb des Auges angesetzt und dieses mit einem Schnitt, der etwa 2-3 cm oberhalb des Auges aufhört, vom Rest des Edelreises abgetrennt. Das Auge sollte auf einem Schildchen aus Rinde und ein bisschen des Holzteils des Edelreises sitzen. Die Schnittfläche sollte nicht angefasst werden, manche arbeiten deshalb auch in der Reihenfolge 2-3-1-4.
Dann wird die Rinde der Unterlage ca. 1 cm lang quer zur Achse eingeschnitten, ohne dabei ins Holz zu schneiden. Anschließend wird die Rinde mittig unterhalb des ersten Schnitts etwa 3 cm längs eingeschnitten, so dass die beide Schnitte zusammen ein „T“ bilden 2. Beide Rindenflügel werden mit dem Rindenlöser oder der Klinge des Okuliermessers leicht angelöst 3.
Das abgetrennte Edelauge wird am Blattstummel gefasst und vorsichtig von oben soweit hinter die Rindenflügel geschoben, bis das Auge etwa in der Mitte des Einschnittes herausragt 4. Der Teil des Schildchens, der über dem waagerechten Schnitt an der Unterlage nach oben herausragt abgeschnitten, da er sowieso vertrocknen würde.
Zuletzt wird die Okulation mit Bast, Gummiband oder Parafilm verbunden. Das Auge ist beim Verbinden mit Gummiband und Bast auszusparen 5. Eine weitere Alternative sind spezielle Okulationsschnellverschlüsse, die das Verbinden erleichtern und bei großen Stückzahlen deutlich beschleunigt. Die Gummimanschette wird hierbei einfach über das Auge gespannt und mit der fertig eingesteckten Klammer befestigt. Für die Verwendung von solchen Schnellverschlüssen muss jedoch der Blattstielstummel komplett entfernt werden. Unter UV-Einwirkung zerfallen die mit Gummimanschetten, Gummibändern und Veredlungsfilm angefertigten Verbände selbstständig nach ausreichender Zeit, Bastverbände müssen nach einigen Wochen aufgeschnitten werden, um Einschnürungen durch Dickenwachstum der Unterlage zu verhindern. Ein Verstreichen von Okulationen ist normalerweise nicht notwendig.
Nach ein bis zwei Wochen fällt bei angewachsenen Okulationen der Blattstiel von selbst oder bei leichter Berührung ab.
Im folgenden Frühjahr muss noch die Unterlage ca. 5 cm über der Veredlungsstelle abgeschnitten werden, um den Austrieb aus der veredelten Knospe zu provozieren. Dieser Austrieb kann an den überstehenden Zapfen angebunden werden, damit der sich entwickelnde Trieb gerade entwickelt. Zudem können die Knospen der Unterlage entfernt werden, zumindest müssen alle sich aus der Unterlage entwickelden Triebe entfernt werden. Wenn der Unterlagenzapfen nicht zum Anbinden des Edeltriebs verwendet wird, sollte er direkt über der Veredlungsstelle abgeschnitten werden, sobald der Edeltrieb sich gut entwickelt hat.
Zudem sollte der Edeltrieb gestäbt werden, um ein Aus- oder Abbrechen des Edeltriebs zu vermeiden.
Schemazeichnung Okulation
Zusammenfassung:
Wann?
(Juni) Juli-August (September), wenn die Unterlage „im Saft steht“ und die Rinde sich lösen lässt und die Edelreiser ausreichend aber noch nicht zu verholzt sind.
Was?
Junge Unterlagen, die „im Saft stehen“ und Edelaugen von frisch geschnittenen, halbverholzten Reisern von diesjährigen Trieben
Wozu?
Üblicherweise zur Erzeugung (großer Mengen) junger Obstbäume mit bestmöglicher Ausnutzung der Edelreiser.
3 Comments
Eric Reiner
23. September 2020Super, vielen Dank für die schnelle Antwort.
Es sollte sich ja spätestens in den nächsten Wochen zeigen, ob das Auge angewachsen ist.
Ich warte dann mal die Reaktion im Frühjahr ab. Ggf. erfolgt dann die Kerbung oder Rückschnitt oberhalb. Die M9 Unterlage wird sicherlich nicht soviel Druck bringen wie eine starkwachsende Unterlage.
Nochmals Danke und viele Grüße
Eric
21. September 2020Hallo,
muss nach erfolgreichem Anwachsen die Unterlage zwangsläufig über der Veredelungsstelle abgeschnitten werden? Ich habe überlegt, Augen von verschiedenen Sorten auf einer schon tragende Apfelspindel (Unterlage M9) zu ergänzen.
Sehr informative und gelungene Seite. Vielen Dank.
Johannes
22. September 2020Vielen Dank für das Kompliment. Wir versuchen die Seite informativ und aktuell zu halten, allerdings ist es nur ein Hobby und wir können nicht so viel Zeit wie wir gerne wollten in die Seite stecken.
Nach gelungenen Okulationen muss die Unterlage nicht unbedingt über der Veredlungsstelle abgeschnitten werden. Allerdings kann es dann sein, das die okulierte Knospe nicht oder nur schwach austreibt. Durch ein Kerben (Einschneiden bis ins Holz auf ein paar mm Breite im Trieb oberhalb der Knospe, die austreiben soll) über der Okulation kann ein Austrieb angeregt werden. Auch ein starker Rückschnitt von den Teilen oberhalb der Okulation(en) kann helfen. Aber es kann auch dann noch passieren, dass die Knospe nicht austreibt.
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