Wie bekomme ich mehrere Sorten auf einem Baum und was wird daraus?

Mehrere Sorten auf einen Baum zu veredeln ist nicht schwer, solange der Baum schon verzweigt ist. Im Optimalfall startet man mit einem bereits einigermaßen entwickelten Baum, der zwischen 3 und 10 Jahre alt ist. Älter kann er natürlich sein, aber es wird dadurch schwieriger, weil entweder die Pfropfköpfe an den Hauptästen sehr groß werden, oder man sehr viele Veredlungen machen muss, die weit verstreut sind. Aus dem erhaltenen Astgerüst der alten Sorte treiben dann immer wieder neue Triebe, die mit den Trieben der aufveredelten Sorte konkurieren.

Ich stelle hier zwei meiner Mehrsortenbäume vor, die sich sehr unterschiedlich entwickelt haben.

Die zwei Kandidaten:

  1. Ein Apfelbaum der Sorte Elstar, der einfach nicht richtig wachsen wollte. Ich habe mir gedacht, bevor ich ihn ausreiße, muss er für ein Veredlungsexperiment herhalten.
  2. Ein Apfelbaum der Sorte Jakob Fischer. Jakob Fischer sind absolut leckere Äpfel und mit dem Baum war und bin ich auch zufrieden, aber die Äpfel halten sich nicht sehr lang. Und sie sind so früh reif, dass meist die Mostereien noch keine Äpfel annehmen bzw. noch nicht geöffnet haben um sich eigenen Saft pressen zu lassen.

Beide Bäume wurden 2003 gepflanzt und konnten sich 8 Jahre lang bis 2011 entwickeln, als ich die ersten Veredlungen gemacht habe. Die veredelten Sorten sind:

  1. Gingener Luiken und Linsenhofer
  2. Cox Orange, Häckerapfel, Kardinal Bea, Schweizer Glockenapfel und eine unbekannte Sorte, „Anonymus“

Mehr zu verschiedenen Apfelsorten gibt es in der entsprechenden Literatur, zum Beispiel dem Farbatlas Alte Obstsorten von Walter Hartmann.

Apfelmehrsortenbaum Nr. 1 knapp ein Jahr nach der teilweisen Umveredlung

Apfelmehrsortenbaum Nr. 1 im Februar 2012: Elstar und im Frühjahr 2011 aufgepfropft die Sorten Gingener Luike und Linsenhofer. Die roten Kreise zeigen die Veredlungsstellen.

 

Apfelmehrsortenbaum Nr. 2 im März 2012: Die farbigen Kreise zeigen die Veredlungsstellen.

Apfelmehrsortenbaum Nr. 2 direkt nach der Umveredlung März 2012: Die farbigen Kreise zeigen die Veredlungsstellen der jeweiligen Sorten (im Uhrzeigersinn: unbekannte Sorte „Anonymus“, Cox Orange, Kardinal Bea, Häckerapfel, Schweizer Glockenapfel). Den Schweizer Glockenapfel habe ich schon im Sommer 2011 okuliert, die anderen Sorten wurden im März 2012 durch Rindenpfropfen veredelt.

Veredlung und erstes Jahr:

Außer bei der Sorte Schweizer Glockenapfel (Okulation, nur als Test) habe ich die Mehrsortenbäume durch Rindenpfropfen umveredelt, da es schon gepflanzte Bäume mit kräftigeren Ästen waren. Die Reiser hatte ich von mir bekannten Bäumen, die zumindest äußerlich frei von erkennbaren Krankheiten waren, im Winter selbst geschnitten und bis jeweils Ende März in Plastiktüten im Gemüsefach eines Kühlschranks gelagert.

Für die Veredlung habe ich gewartet, bis die Bäume leicht antreiben und sich die Rinde lösen lässt, was unabdingbar fürs Rindenpfropfen ist. Dafür muss man nicht bis zur Blüte warten, wie oft empfohlen wird. Die Rinde von Apfelbäumen löst bei mir (ca. 600m Höhe in Süddeutschland) meist schon ab Mitte bis Ende März, bei Steinobst und Birnen oft eine Woche früher. Die Rinde ist normalerweise gut lösbar, sobald die Knospen sichtbar dicker sind als im Winter.

Für das Rindenpfropfen nehme ich gerne ein Messer mit gerader Klinge, z.B. das hier, weil sich damit die Unterlagenrinde gut lösen lässt, ohne das Kambium der Unterlage zu zerkratzen. Damit ich da Messer nicht wechseln muss, nehme ich das auch für die Schnitte am Edelreis.

Ich setzte gerne recht viele Edelreiser ein, beim Rindenpfropfen eigentlich nie weniger als 2, egal wie dünn die Unterlage ist. Bei dickeren setze ich ungefähr alle 2-3 cm (im Umfang) ein zusätzliches Edelreis ein, wobei nach Möglichkeit immer ein Edelreis genau auf der Oberseite des zu veredelnden Asts eingesetzt wird, weil diese Position zu den mechanisch stabilsten Veredlungen führt.

Zum Verbinden nehme ich beim Rindenpfropfen sehr gerne selbstverschweißende Isolierbänder, weil dadurch der Verband an sich schon dicht ist und nur noch die Schnittfläche am Pfropfkopf selbst und die Edelreisspitze mit Veredlungswachs oder Lac Balsam verstrichen werden muss. Bast geht natürlich auch als Verband, ist mir aber zu „fummelig“ und die einzelnen Stränge sind einfach zu kurz, eine Alternative ist Kunstbast, der beliebig lang ist.

Nach dem Austrieb der Edelreiser habe ich regelmäßig, etwa monatlich, die Triebe unterhalb der Veredlungsstellen entfernt. Man kann sie einfach abbrechen, solange sie noch grün und weich sind. Soweit hat alles im ersten Jahr der Veredlung recht gut geklappt, auch die Anwuchsquote war sehr gut, nur zwei von ca. 40-50 Reisern sind nicht angewachsen.

Zweites Jahr:

Im zweiten Jahr muss man sich bei Pfropfköpfen mit mehreren Edelreisern entscheiden, welches angewachsene Edelreis in Zukunft den Leitast verlängern soll und welche Edelreiser nur temporär das Verwachsen unterstützen oder maximal zu Fruchtästen werden sollen. Für die Leitastverlängerung sollte nach Möglichkeit immer ein Edelreis auf der Oberseite gewählt werden, weil diese Position die mechanisch stabilste Verbindung hat, da die Veredlungsstelle zusammengedrückt und nicht auseinandergezogen wird.

Im zweiten Jahr nach der Veredlung war die Entwicklung der beiden Mehrsortenbäume sehr unterschiedlich.

Bei den Veredlungen auf den Jakob Fischer (2. Kandidat) hatten alle Veredlungen wie im ersten Jahr schon ein enormes Wachstum und ich musste wegen der zu dichten Äste teilweise sogar einige veredelte Äste ganz entfernen. Außerdem konnte ich wegen des starken Wachstums jetzt schon aus den mehreren Edelreisern je Pfropfkopf die spätere Astverlängerung auswählen. Die auserwählten Triebe habe ich durch Rückschnitt der Triebe der anderen Edelreiser am selben Pfropfkopf auf flache Seitentriebe gefördert. Die flachen Seitentriebe werden in den Folgejahren zu Seiten- oder Fruchtästen erzogen oder später ganz entfernt, aber nicht bevor der Pfropfkopf wieder komplett verwachsen ist.

Bei den Veredlungen auf den Elstar (1. Kandidat), musste ich leider feststellen, dass die Luiken, vermutlich durch den sehr späten Austrieb, einige Wochen später als der Elstar und der Linsenhofer, sich auf Dauer nicht halten wird. Die Luikenveredlungen sind zwar alle wieder ausgetrieben, aber haben nur eine kümmerliche Blattrosette gebildet und keine richtigen Triebe gemacht. Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass man keine Apfelsorten mit extrem unterschiedlichem Austriebszeiten auf einem Mehrsortenbaum kombinieren sollte.

Einige Jahre später:

Inzwischen haben alle Veredlungen schon gut getragen und ich hatte bei einige Sorten sogar schon mehrere Jahre in Folge gute Ernten. Auf den Elstar (1. Kandidat) habe ich die Luikenveredelungen durch andere Sorten ersetzt, zum Beispiel dem Sommerapfel Schöner aus Bath und der rotfleischigen Apfelsorte Roter Mond. Diese wachsen alle recht gut und in der Blüte und dem Laubaustrieb sieht der Baum jetzt sehr kurios aus, da sowohl der frische Austrieb als auch die Blüten von Roter Mond rot bzw. pink sind und die der anderen Sorten normal, also grün bzw. weiß mit maximal leichtem rosa Hauch. Bei den meisten Rindenpfropfungen gibt es inzwischen nur noch eins der ursprünglichen Reiser oder maximal zwei, von denen dann aber eins nur einen untergeordneten Fruchtast bildet. Es ist an manchen Veredlungsstellen teilweise auch schon recht schwer zu erkennen, dass es sich überhaupt um Veredlungsstellen handelt, so gut sind sie verwachsen.

 

Weitere Updates und Bilder folgen …

8 Comments

  • M.Dikme

    Reply Reply 10. März 2024

    Hallo ,

    kann ich eine Obstbaum 3 mal veredeln. Kann ich die Sorten,
    Boskop, jonagold, Topaz zusammenstellen.

    Lg

    • Johannes

      Reply Reply 10. März 2024

      Ja, drei Sorten auf einen Baum funktioniert. Gut ist auch, dass die drei Sorten Boskoop, Jonagold, und Topaz auch stark wüchsig sind.
      Viele Grüße
      Johannes

  • Caesy Reibeck

    Reply Reply 13. Februar 2024

    Ich habe ein Bericht gesehen, in dem behauptet wurde das im Mittelalter Pflanzen unterschiedlicher Art miteinander veredelt wurden. ZB Äpfel und Birnen.Ist das möglich.

    • Johannes

      Reply Reply 14. Februar 2024

      Meist klappt das Veredeln nur innerhalb einer Art oder zwischen nahe verwandten Arten. Äpfel und Birnen sind für langfristig erfolgreiche Veredlungen nicht nahe genug verwandt, aber manche Birnensorten können auf Quitten veredelt werden, oder Quitten auf Weißdorn. Es kann aber trotzdem sein, dass ein Apfeledelreis auf einer Birne erst einmal anwächst und vielleicht auch 1-2 Jahre überlebt. Oft wird das dann schon ein paar Wochen nach der Veredlung mit dem Austrieb als Erfolg verkündet und wenn die Veredlung nach ein paar Monaten oder Jahren eingeht, tut sie das unbeachtet. Noch ein Beipiel aus eigener Erfahrung: Bei Birnenverdelungen, die ich auf Weißdorn ausprobiert habe, war es fast immer der Fall, dass die Veredlung zwar angewachsen ist, aber bei fast allen Sorten sind diese über die folgenden 2-5 Jahre immer kümmerlicher gewachsen und abgestorben.
      Viele Grüße
      Johannes

  • Verena

    Reply Reply 10. Juni 2023

    Ich habe im Frühjahr ebenfalls eine Hedelfinger Riesenkirsche gepflanzt. Am liebsten hätte ich auch noch die Sorte Große Prinzessin. Liegt da die Blütezeit zu weit auseinander, als dass sie kompatibel wären? Und ab welchem Standjahr ist eine Veredelung machbar bzw. sinnvoll?

    • Johannes

      Reply Reply 10. Juni 2023

      Ich würde bei Kirsch empfehlen, am besten per Anplatten, Kopulation oder Kopulation mit Gegenzungen zu veredeln. Das bedingt, dass die Unterlage bzw. in diesem Fall die Hedelfingeräste nicht zu dick sein dürfen, also optimalerweise 0,5-1 cm oder vielleicht noch 1,5 cm. Wenn die frisch gepflanzte Kirsche gut wächst, könnte man schon diesen oder wahrscheinlich besser nächsten Winter bzw. Frühjahr veredeln versuchen.
      Von der Blütezeit her kann ich leider nichts genaues sagen, da ich keine Große Prinzessinkirsche habe, aber mesit unterscheidet sich die Blütezeit von verschiedenen Kirschensorten nicht zu sehr.

  • Petra

    Reply Reply 27. Oktober 2021

    Hallo, ich möchte auf eine Hedelfinger Kirsche eine andere spätblühende Kirsche dazuveredeln. Den Edelreiser muss ich bestellen. Da ich sehr früh veredeln muss, ca. März (okulation?) die Frage: wie frostempfindlich sind die frisch veredelten Stellen? Wie ist deine Erfahrung? Reicht ein Schutz mit Noppenfolie? Ich wohne in Augsburg, es gibt also noch Frostnächte bis in den Mai hinein.
    Grüße
    Petra

    • Johannes

      Reply Reply 27. Oktober 2021

      Hallo Petra,

      frische Kirschenveredlungen vertragen (Spät)Fröste recht gut. Ich habe persönlich auch schon einmal zum Spaß Kirschen im Dezember direkt veredelt (genau gesagt Hedelfinger auf Wildkirschen) und die Veredlungen sind gut angewachsen, obwohl es im Winter danach noch gut unter -15°C ging. Ein besonderer Schutz ist nicht nötig, Noppenfolie oder so ist eher schädlich (ich nehme an es geht um die durchsichtige, die es auch als Polstermaterial gibt), da diese durchsichtig und dampfdicht ist. Die Frühjahrssonne könnte ungehindert durchscheinen und das Edelreis erhitzen und es regelrecht kochen. Außerdem ist die Folie dampfdicht und es bildet sich darunter ein optimales Klima für Pilze & Co. Entweder muss die Folie wie z.B. Parafilm oder so dicht am Edelreis anliegen, siehe Verbandmaterial, oder man kann, wenn man wirklich irgendwie schützen will, eine stabile Papiertüte oder etwas anderes lose, belüftet und mit Abstand über die Veredlung stülpen. Das habe ich aber noch nie gemacht und nur bei anderen gesehen.

      Als Veredlungsmethode würde ich allerdings eher Reiserveredlungen empfehlen, wenn ein Baum umveredelt werden soll. Vor allem Rindenpfropfen (aber wie bei der Okulation gilt: die Rinde muss sich dafür lösen! Also klappt es erst wenn die Knospen anfangen zu schwellen, einfach ausprobieren, ab wann es klappt) ist dafür normalerweise die Methode der Wahl. Für etwas dünnere Unterlagenästen würde ich auch Anplatten oder Kopulation empfehlen.

      Viele Grüße und viel Erfolg
      Johannes

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