Wie können immergrüne Nadelgehölze veredelt werden?  Ein paar Versuche …

Die kurze Antwort vorneweg: Natürlich können auch Nadelbäume oder Koniferen veredelt werden. Allerdings ist dies etwas schwieriger als bei den üblichen Obstgehölzen oder Laubbäumen allgemein. Was sind nun die Schwierigkeiten bei Koniferenveredlungen:

  • Viele Arten bilden sehr stark Harz, das Wunden verschließen soll, aber auch eine Trennschicht an der Veredlungsstelle bilden kann.
  • Die allermeisten Arten, fast alle außer z.B. Lärchen, sind immergrün und erholen sich sehr schlecht oder gar nicht von einem Nadelverlust. Die Edelreiser dürfen also nicht „entnadelt“ werden.
  • Koniferen haben eine starke, dauerhafte Wuchshierarchie: Edelreiser von Seitenzweigen wachsen oft jahrzehntelang wie Seitenzweige weiter und bilden unregelmäßig wachsende Sträucher. Nur Veredlungen von Spitzentrieben bilden „richtige“ Bäume.

Für den Versuch habe ich Eiben und Kiefern gewählt. Eiben haben keine Harzbildung und sollten dadurch ein bisschen einfacher sein, Kiefern bilden sehr stark Harz und sind somit vielleicht noch etwas herausfordernder. Und es muss definitiv gehen, denn bei gekauften Kiefern habe ich schon verwachsene Veredlungsstellen entdeckt und auch in der Literatur wird die Veredlung von Kiefern, hauptsächlich zur Vermehrung von Ziersorten, beschrieben.  Im Bild unten ist die Veredlungsstelle einer gekauften Kiefernsorte zu sehen.gekaufteKieferVeredlungsstelle

Erste Versuchsreihe: Kiefernveredlung

20220129_133043Links ist die getopfte, 3- bis 4-jährige Kiefernunterlage, in diesem Fall die fünfnadelige Kiefernart Pinus armandii, mit den Edelreisern rechts daneben zu sehen. Die Edelreiser sind ebenfalls von fünfnadeligen Kiefernarten, in diesem Fall von der Zirbelkiefer (P. cembra) und der Koreakiefer (P. koraiensis). Von Kiefern gibt es mehrere Untergattungen, die sich meist anhand der verschiedenen Anzahlen an Nadeln in einem Nadelbündel unterscheiden lassen. Es gibt hauptsächlich zweinadelige Arten (z.B. die heimische Waldkiefer (P. sylvestris)), dreinadelige Arten (aus Nordamerika, z.B. die Gelbkiefer (P. ponderosa)) und fünfnadelige Arten (z.B. Zirbelkiefer). Laut Gehölzvermehrung von Andreas Bärtels sind bei den Kiefern generell die Kiefern mit einer identischen Anzahl an Nadel in einem Bündel miteinander kompatibel, also zweinadelige mit zweinadeligen oder fünfnadelige mit fünfnadeligen. Leider gibt es unter der Gruppe mit den fünfnadeligen Kiefern auch Arten mit weniger Nadel in einem Nadelbündel, z.B. die Einnadelige Kiefer (P. monophylla), was diese Faustregel etwas verkompliziert. Aber wenn man eine Kiefernart veredeln will, muss man eben die kurze Recherche der Verwandtschaft der Art mit einplanen. Für den Test habe ich allerdings der Einfachheit halber nur Edelreiser und Unterlagen fünfnadeliger Arten verwendet.

Nach den Angaben im Buch Gehölzvermehrung von Andreas Bärtels sollten Kiefern im Winter, Januar bis März, auf getopfte Unterlagen veredelt werden. Meine Testveredlungen habe ich also Ende Januar gemacht. Die Edelreiser sollten möglichst kurz vor der Veredlung geschnitten werden, oder in einem Plastiksack kühl gelagert werden. Vor der Veredlung werden die Edelreiser, 5-10 cm lange Triebspitzen, möglichst von aufrechten Spitzentrieben, wenn ein richtiger Baumwuchs gewünscht wird, am unteren Ende entnadelt. An den Edelreisern habe ich etwa 1-2 cm benadelte Spitze belassen. Genauso wird die Unterlage an der (oder den) Veredlungsstellen entnadelt, damit man Platz zum Schneiden und Verbinden hat. Ich habe, weil es ein Test war, mehrere Veredlungen auf dieselbe Unterlage gemacht.

Die Veredlungen erfolgten durch Seitliches Anplatten, was bei Koniferen die Standardveredlungsmethode ist. Es ist im Prinzip identisch zum normalen Anplatten, allerdings wird die Unterlage erst nach der Veredlung auf die Höhe der Veredlung zurückgeschnitten und es bleibt bei der Veredlung noch der die Veredlungsstelle überragende Teil der Unterlage stehen. Das Belassen der Unterlagenspitze verhindert ein Absterben der Unterlage an der Veredlungsstelle. Die Fotoserie unten zeigt die jeweiligen Schnitte an Edelreis (1), der Unterlage (2), die Veredlung vor (3) und nach dem Verbinden mit einem Veredlungsgummi (4). Die Veredlung wird dabei nur verbunden, aber nicht mit einem Wundverschlussmittel behandelt, damit aus den Schnitten austretendes Harz abfließen kann und keine Trennung zwischen Edelreis und Unterlage verursacht.

Veredlung

Die Veredlungen wurde danach auf einer Wärmematte aber im Keller unter Kunstlicht aufgestellt, um durch eine hohe Bodentemperatur bei gleichzeitig eher niedriger Lufttemperatur die 20220129_141949Verwachsung der Veredlung zu fördern, ohne dass das Edelreis zu früh aus der Vegetationsruhe geht und seine Reserven vor der Verwachsung verbraucht. Zum Schutz vor Austrocknung wurde das Bäumchen samt Topf mit einem Plastiksack abgedeckt. Das Buch Gehölzvermehrung von Andreas Bärtels empfiehlt für Kiefernveredlungen 4 bis 6 Wochen eine Bodentemperatur von 15 bis 20°C (danach 13-15°C), bei einer Lufttemperatur von nicht mehr als 15°C im Gewächshaus oder Folientunnel. Ich empfehle gleich Alkohol oder ähnliches und etwas Küchenpapier zum Reinigen des Messers bereit zu halten, da bei den Schnitten in Kiefern sofort Harz austritt und auf der Klinge kleben bleibt.

Rechts sind die fertigen Veredlungen zu sehen: Unten zwei Mal Zirbelkiefer durch Seitliches Anplatten, in der Mitte zwei Mal Koreakiefer durch Seitliches Anplatten auf die Seitenäste der Unterlage und ganz oben noch einmal eine Zirbelkiefernveredlung, hier allerdings durch Spaltpfropfen in die entnadelte Triebspitze.

 

Austrieb

Mitte April ist dann der erste Austrieb zu sehen, oben links die unterste Zirbelkiefernveredlung, oben rechts die Koreakiefernveredlung auf den Seitenast. Die Veredlungen waren also erfolgreich!

 

Zweite Versuchsreihe: Eibenveredlung

Wie schon in der Einleitung geschrieben, habe ich eine zweite Versuchsreihe zur Koniferenveredlung mit Eiben durchgeführt.

20210222_181251Im linken Bild sind Veredlungen durch Seitliches Anplatten (unten und rechts) und durch Kopulation (oben) auf einen mehrjährigen Eibensämling zu sehen. Veredelt wurde im Winter (Januar und Februar) auf die getopfte Unterlage. Wie auch die Kiefernveredlungen der ersten Versuchsreihe wurden die Veredlungen durch einen übergestülpten Plastiksack vor Verdunstung geschützt und den restlichen Winter frostfrei bei ca. 10°C und Kunstlicht kultiviert.

Es sind fast alle Veredlungen angewachsen. Im Bild unten sind zwei angewachsene Veredlungen durch Seitliches Anplatten zu sehen:

Links eine Veredlung von einem einjährigen Edelreis auf einen zweijährigen Unterlagentrieb, bei dem der Unterlagentrieb schon zurückgeschnitten wurde und rechts die unterste Veredlung aus dem ersten Bild zur Eibenveredlung, mit einem mehrjährigen Edelreis (unten 3-jährig, der grüne Teil darüber 2-jährig) auf den vermutlich 5 bis 7-jährigen Unterlagentrieb, der nicht zurückgeschnitten wurde, da darüber weitere Veredlungen angewachsen waren.

angewachseneEibenVeredlungen

Abschließender Kommentar zur Eibenveredlung: Die Veredlung von Eiben scheint nicht schwer zu sein, allerdings lassen sich Eiben meist auch sehr gut durch Stecklinge vermehren. Bei der Stecklingsvermehrung ist die gesamte Pflanze genetisch identisch und regeneriert sich bei (zu) tiefen Rückschnitt oder Wildtierverbiss wieder „echt“. Eine veredelte Pflanze besteht genetisch aus mehreren Teilen und bei einem Verbiss oder Rückschnitt unter die Veredlungsstelle geht die veredelte Sorte verloren und die Pflanze regeneriert sich aus der Unterlage. Bei einer Veredlung kann man allerdings die Wuchskraft eines größeren, bereits etablierten Wurzelwerks nutzen und bekommt vielleicht etwas schneller größere Eibenpflanzen der gewünschten Sorte. Bei der Vermehrung durch Stecklinge muss der Steckling die Wurzel zu seiner Versorgung erst noch selbst bilden und wächst daher vermutlich anfangs eher etwas schwächer.